Doch das Wichtigste: wir alle dürfen nicht aufgeben! Dafür ist es auch wichtig, ein inneres Gleichgewicht zu finden. Denn nur weil unser Körper krank ist, muss es nicht unsere Psyche sein. Es ist schwer, mit all den Lebensumständen, nicht noch zusätzlich in eine Depression zu rutschen.
ME/CFS-Patienten wird oft an den Kopf geworfen, sie hätten sich aufgegeben. Doch es ist gar nicht so einfach, zu kämpfen, wenn man schon so keine Kraft hat, um kleinste alltägliche Aufgaben zu erledigen. Manche schaffen nicht mal mehr das. Sie liegen isoliert im Dunkeln, abgeschnitten von der Außenwelt, mit Ohrstöpsel und Schlafmaske, um so wenig wie möglich Reizen ausgesetzt zu sein. Sie haben kein Sozialleben mehr. Und da soll man noch positiv denken?
Man hat Fragen über Fragen, möchte diese natürlich auch gerne vielleicht mit seiner Familie und den Freunden teilen und hofft, dass diese einen verstehen. Im Laufe der Zeit wird man jedoch feststellen, dass die Menschen aus dem Umkreis die Krankheit nicht ernst nehmen, weil man sie nicht sieht.
Man bekommt zu hören:
- „Wenn du wirklich willst, kannst du alles schaffen und wirst auch wieder gesund. Es ist nur eine Frage des Wollens.“
- „Stell dich doch nicht so an , du wirst doch wohl noch mit zum Rummel kommen oder ins Kino oder ins Theater.“
Betroffene wünschen sich manchmal lieber ein gebrochenes Bein, denn das ist ja erkennbar und greifbar. ME/CFS kann man oft nicht sehen.
Viele der Freunde verstehen nicht, was diese Krankheit überhaupt bedeutet. Sie denken, es ist einfach wie ein Schnupfen oder eine Grippe und ist in 7-10 Tagen weg. Jeder von uns hat schon diesen Spruch gehört „Na nun stell dich mal nicht so an.“ Es ist schon sehr verletzend, wenn diese Worte von den Freunden und der Familie kommen.
Der Ehepartner/Lebensgefährte wird auch seine Zeit brauchen, um es zu akzeptieren, dass man nicht mehr wie früher alles an einem Tag macht. Man braucht Unterstürzung im Haushalt und beim Einkaufen, denn man kann sich nicht mehr lange in Geschäften aufhalten wegen Licht- und Lärmeinflüssen.
Man sollte sich immer vor Augen halten, dass jede Tätigkeit, die man zu viel ausübt, seinen Körper sofort zu einem Crash bringen kann.
Selbst Kleinigkeiten, wie aufstehen, um sich zu waschen oder essen zu machen, ist manchmal der Horror, weil man es einfach nicht mehr schafft. Dann ist man doch schon glücklich, wenn man irgendwelche Hilfsmittel hat, die einem die Tätigkeiten und den Alltag erleichtern, z.B. Saugroboter, Kochautomaten und Stehhilfen, Greifzangen, Rollator, Rollstuhl und vieles mehr.
Jeder der Betroffenen hat in seiner Vergangenheit oder auch Gegenwart ein Hobby ausgeübt. Klar, man ist froh, überhaupt noch einige Tätigkeiten zu leisten, doch vermisst man seine ursprünglich ausgewählten Hobbys, wie zum Beispiel Handarbeiten, Angeln, Motorrad fahren, Leistungssport jeglicher Art, Mannschaftssport usw. Manch einer weicht auf etwas anderes aus, was vielleicht noch möglich ist, wie Gedächtnistraining oder leichte Übungen im Bett.
Doch es gibt auch viele von uns, die über Hobbys gar nicht mehr nachdenken. Überleben ist hier die Devise. Mit so wenig wie möglich Symptome durch den Tag kommen. Jeder, der ME/CFS erkrankt, stellt sich früher oder später die Frage: wo ist meine positive Lebenseinstellung geblieben? Was bleibt mir jetzt noch vom Leben?
Wir wollen euch einige Ratschläge zum Thema Selbstliebe und Selbstakzeptanz mit auf dem Weg geben. Denn da fängt es an. Es ist wichtig, mit sich selbst und irgendwo auch mit der Erkrankung im Reinen zu sein. Man sagt sich zu oft Dinge, die man nicht mehr kann. Dinge, die schlecht laufen. Dinge, die man an sich selbst nicht mag. Aber man sollte den Fokus auf das Positive setzen, auch wenn das natürlich viel schwerer ist.
Tipps für Selbstliebe und Selbstakzeptanz
- ziehe keine Vergleiche mit anderen
- entschuldige dich nicht für dich selbst
- übe Dankbarkeit
- lasse einfach mal los
- übe Nachsicht mit dir selbst
- lasse Schwächen zu
- entdecke deine Stärken
- übe Gelassenheit
- schenke dir ein Lächeln, wenn du in den Spiegel schaust
- schreibe Dinge auf, die du an dir magst
- schreibe Dinge auf, auf die du stolz bist
- lobe dich für Dinge, die dir schwer gefallen sind
- vertrete deine Wünsche, Interessen und Bedürfnisse auch gegenüber anderen
- nimm dich an, wie du bist
Bild: Kathrin Dülle