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Samstag, 12 März 2022 12:00

Vom Bett aus von Inga Ewert

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Von meinem Bett aus schaue ich nach draussen,

die Fassade des gegenüberliegenden Hauses  leuchtet in der Sonne. 

Es ist ein sonniger Herbsttag und wenn man richtig angezogen ist, ist es wunderschön. 

Ich weiss, dass die Stadt voll ist von den Menschen,  die die letzten Tage  in der Aussengastronomie der Restaurants und Cafés  geniessen.

Ich liege in meinem Bett. 

Bin gefangen von bleierner Schwäche, die es mir unmöglich macht, aufzustehen. 

Es ist eine Schwäche, die sich anfühlt, als wäre gerade noch genug Energie für Herzschlag und Atmung vorhanden.  

Bald muss ich es irgendwie zur Toilette schaffen und getrunken habe ich auch lange nichts.  Ich weiß nicht wie.

Ich höre meine Nachbarin Klavier spielen, Menschen auf der Straße einander Dinge zurufen. 

Ich denke an die Wäsche,  die seit geraumer Zeit fertig in meiner Waschmaschine liegt und daran, dass eine Dusche  dringend mal wieder nötig wäre.

Ich liege hier und draussen zieht das Leben an mir vorbei.

Hier drinnen tickt die Zeit in Form meines Herzschlags, den ich bebend spüre, während der gewaltige Strom von Fieber und Schmerzen über mich hinwegrollt.

In meinem Inneren weint es, ich weine  um alles, was nie wieder sein wird.

Ich weine, weil ich mir damit immerneue Kämpfe selbst kreiere, weil ich nicht loslassen kann.


Was war, wer ich war.

Und weil ich mich der Hingabe verwehre, einer Nicht- Zukunft, der ich nicht die  Zuversicht schenken kann, die sie bräuchte.

Dem Lied,  das die Nachbarin spielt, folgt ein nächstes.. irgendwann versiegt es... der Sonnenschein versinkt auf der Hausfassade... und die Strassen werden stiller. 


Ich liege in meinem Bett,  gefangen in einem Zustand, der jedem Versuch,  ihn zu beschreiben, durch die Finger rinnt.

Ich bin nicht hier, nicht ich, nicht heute. Nur vergangen und ungelebt. 

Gelesen 1335 mal Letzte Änderung am Montag, 14 März 2022 11:10
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