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Sonntag, 27 Dezember 2020 16:08

Marco und sein Kampf mit der privaten Krankenversicherung

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Marco leidet seit 2012/2013 an ME/CFS, er war zwischenzeitlich gesundet und ist aktuell erneut erkrankt. Seit 1996 ist er privat kranken-(voll)versichert und hat immer pünktlich seine Beiträge bezahlt. Doch die Versicherung ließ ihn komplett im Stich. Marco hat 2018 eine Beschwerde an seine Versicherung geschickt, diese hat er uns zukommen lassen und wir wollen einzelne Ausschnitte mit euch teilen:

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„Wie bereits erwähnt, bin ich an ME/CFS erkrankt. Auslöser hierfür könnte ein schwerer Autounfall im Jahr 2010 sein. Aber darauf werde ich später noch einmal zurückkommen. Auf aktuellen und überarbeiteten Vertragsgrundlagen der Versicherung prangt der Slogan „In guten Händen.“ Hiervon ist in der Praxis leider gar nichts zu spüren.

 

Mein Gesundheitszustand verschlechterte sich im Laufe des Jahres 2012 erheblich, worauf sich eine gewisse Ärzte-Odyssee anbahnte, da niemand ‐ selbst das Universitätsklinikum Essen ‐ die Ursachen für meine erhebliche körperliche und geistige Schwäche ausmachen konnte. Schließlich kam ich zu einem Facharzt, der mir zumindest Erklärungen liefern konnte und viele seiner Patienten mit hochdosierten und individuell zusammengestellten Vitaminen und speziellen Präparaten, Infusionen und Sauerstoff erfolgreich therapierte und therapiert. Er vermutete bereits zu einem frühen Zeitpunkt bei mir das Vorliegen der Krankheit ME/CFS. Die ersten Schwierigkeiten mit der Krankenversicherung begannen bereits zu diesem Zeitpunkt. Zum einen wird bis heute ein von zahlreichen Ärzten diagnostizierter Mangelzustand, z. B. bei Vitamin D seitens der Versicherung verleugnet und ein relativ günstiges Vitamin D Medikament wird demzufolge nicht erstattet. Seitens der Mitarbeiter bekommt man wenig geistreiche Schreiben wie: „Laut Deutscher Gesellschaft für Endokrinologie sollte der Vitamin‐D‐Spiegel derzeit nur bei bestimmten Altersgruppen und Risikopopulationen bestimmt werden, es stellt sich somit die Frage, warum überhaupt eine Untersuchung bezüglich des Vitamin‐D‐Wertes durchgefühlt worden ist.“

 

Im weiteren Verlauf wurde ich dann zu einem ihrer Gutachter geschickt. Mit den Worten: „Damit kenne ich mich nicht aus, ich halte Sie für voll arbeitsfähig.“, sorgte er für die erste, größere Konfrontation mit dem, nach eigener Aussage, sehr serviceorientierten Unternehmen. Ich fragte ihn noch auf welchen objektiven Fakten er denn zu dieser Feststellung kommt, daraufhin entgegnete er mir: „Menschenkenntnis“. Da fällt einem nicht mehr viel zu ein, so wurde ich zuvor in meinem ganzen Leben noch von niemandem behandelt. Um also daraufhin meine weitere Arbeitsunfähigkeit zu „beweisen“, musste ich ein Gegengutachten vorlegen. Durch diesen Umstand lernte ich einen Arzt kennen, der ebenfalls über weitreichende Kenntnisse auf dem Gebiet dieser Erkrankung und deren Therapie verfügt.

 

Es folgte dann ein 5‐wöchiger Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik, welche von der Versicherung vorgeschlagen und finanziert wurde. In der psychosomatischen Klinik wurde dann die Diagnose ME/CFS bestätigt und das Vorliegen einer Depression ausgeschlossen. Ich erinnere mich noch an die Worte der Klinikleitung: „Sie haben CFS, eine körperliche Erkrankung. Dabei können wir Ihnen leider nicht weiterhelfen, da wir auf psychologische Beschwerden spezialisiert sind. Genießen Sie Ihren Restaufenthalt bei uns.“ Nichtsdestotrotz wird bis heute, auch von den Gutachtern ‐ die einen, wenn überhaupt einmal 60 Minuten vor sich sitzen haben ‐ gerne immer noch behauptet, meine Beschwerden seien psychischer Natur, was im Übrigen auch aktuell erneut ausgeschlossen wurde. Nebenbei bemerkt eine Feststellung, die ich bei vielen Arztbesuchen und Gutachterterminen gemacht habe: Findet man in den typischen Laborparametern keine Auffälligkeiten, dann muss es ja psychisch bedingt sein. Es liegt aber lediglich daran, dass diese Ärzte nicht wissen, worauf sie schauen müssen, denn es gibt sehr wohl etliche Laborparameter, die Aufschluss geben können.

 

ME/CFS gilt als schwerwiegende Erkrankung organischen Ursprungs, so viel weiß man heute. Es gibt keine Behandlung nach Leitlinie, da man noch an den Ursachen forscht. Es gibt aber durchaus Behandlungsansätze, die das Leiden verbessern und sogar zur völligen Beschwerdefreiheit führen können. Das beste Beispiel ist meine vollständige Genesung Ende 2013. Die Kosten für die ausschließlich zu Heilzwecken ärztlich verordneten Präparate und teilweise Therapiekosten (ca. 6.000,‐ EUR) wurden von der Krankenversicherung nicht übernommen, trotz umfangreichen Schriftwechsels. Es wäre angeblich alles nicht wissenschaftlich belegt oder nicht medizinisch notwendig, usw. Nun ja, dies mag vielleicht nach Ansicht der Versicherung so sein, aber die Therapie war ein voller Erfolg, schließlich konnte ich endlich wieder arbeiten gehen! Für mich persönlich gibt es keinen besseren Erfolgsbeweis! Für mich war es zu diesem Zeitpunkt entscheidend wieder gesundet zu sein, so dass ich die Angelegenheit nicht weiter juristisch verfolgt habe.

 

Der Vollständigkeit halber muss ich erwähnen, dass ich, aufgrund der Verweigerungshaltung der Versicherung in Bezug auf die Erstattung der ärztlich verordneten Präparate, die notwendige Erhaltungstherapie nach meiner Genesung im Jahre 2015 eigenmächtig ausgeschlichen habe. Daraufhin kam es im September 2016 zu einem erneuten, schweren Zusammenbruch und ich wurde erneut (bis dato) arbeitsunfähig.

 

Zur Genesung informiere ich mich selbstständig auch international über aktuelle Therapiemöglichkeiten bei dieser Erkrankung. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass sich so wenige Ärzte in Deutschland mit ME/CFS wirklich auskennen: Mehr als die Begrifflichkeit haben sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gehört. Eine der seltenen Studien zu CFS kam zum Ergebnis, dass bei 75% aller Patienten das Krebsmedikament Rituximab eine signifikante Verbesserung des Gesundheitszustands brachte. Allerdings wurde auch bei einigen Patienten eine Verschlechterung beobachtet, ich war jedoch bereit, dieses Risiko einzugehen, daher habe ich am 30.01.2017 eine Off‐Label‐Use Behandlung mit dem Medikament Rituximab bei der Versicherung angefragt. Nach etlichen weiteren Erinnerungen und Nachfragen meinerseits diesbezüglich teilte man mir dann nach knapp zwei Monaten und nach Konsultation eines Gutachters am 28.03.2017 mit: „Diese Therapie wird bei Erwachsenen bei Non Hodgkin und chronischer lymphatischer Leukämie sowie rheumatischer Arthritis und Granulomatose angewendet. Da diese Krankheitsbilder bei Ihnen nicht vorliegen und das Medikament nicht bei einer chronischen Schmerzstörung sinnvoll sei, sei eine medizinische Indikation und eine medizinische Notwendigkeit nicht vorhanden.“ Sehr schön, aber das war doch überhaupt nicht die Fragestellung! Auf die erneute(n) Nachfrage(n) auf eine „off‐label‐use Behandlung“ ist man mir bis dato eine Antwort schuldig.

 

Zusätzlich zur Erkrankung von ME/CFS erlitt ich ab dem Jahr 2015 erhebliche, kaum zuertragende Schmerzen in den Armen und Beinen, ‐ um es abzukürzen ‐ deren Ursache nach einer weiteren Ärzteodyssee im UK Essen mittels Hautbiopsie als Small Fibre Neuropathie zweifelsfrei diagnostisch gesichert wurde. Nur um dies vorauszuschicken, auch dieses Krankheitsbild kennen die wenigsten Ärzte. Therapeutisch wurden alle möglichen Schmerzmittel von Novalgin, Duloxetin, Tramal bis hin zu Gabapentin verabreicht, die allesamt die Schmerzen nicht erheblich eindämmen oder gar abstellen konnten.

 

Im April 2017 startete ich nach sehr logisch nachvollziehbarer Begründung warum dies funktionieren könnte ‐ einen Versuch mit Cannabis (Cannabis Flos Bedica). Ich darf vorausschicken, dass ich zuvor niemals in meinem Leben Cannabis konsumiert hatte und auch auf ärztlichen Rat angewiesen war, wie dies überhaupt zu konsumieren sei. Vom Ergebnis war ich schlichtweg überrascht. Ab dem Zeitpunkt der ersten Einnahme war ich bezüglich der SFN Problematik schmerzfrei! Und dies seit fast zwei Jahren an allen möglichen ärztlichen Konsultationen und Therapien. Ich fasse mich kurz: Es hat 11 Monate, unzählige Schriftstücke, Fristsetzungen (die allesamt nicht beachtet oder beantwortet wurden), Verweise darauf, dass die gesetzliche Krankenversicherung innerhalb von 3 Wochen verbindlich eine Zusage geben muss und falls diese negativ ausfallen sollte, diese zu begründen ist, erforderlich gemacht, bis die Versicherung das heilbringende Medikament endlich reguliert hat.

 

Am 6. Juli 2017 eröffnete mir die Versicherung dann folgendes: „Aufgrund der eingetretenen Arbeitslosigkeit endet in Ihrem Fall die Versicherungsfähigkeit für die Krankentagegeldversicherung am 30.06.2017, unsere Leistungspflicht hingegen spätestens am 30.09.2017.“
Im oben genannten Prospekt der Vertragsgrundlagen steht: „Die Zahlungsdauer bei Arbeitsunfähigkeit ist zeitlich nicht begrenz.“ Die Versicherung rühmt sich also damit, dass das Krankentagegeld nicht wie in der gesetzlichen Versicherung bereits nach 78 Wochen eingestellt wird, in der Realität möchte sie dann das Krankentagegeld bereits nach 52 (!!) Wochen einstellen. Da fällt einem ja echt das Blei aus dem Zahn.

 

Ende 2017, Anfang 2018 verschlechterte sich mein Gesundheitszustand erneut massiv. Der Grund hierfür war eine ärztliche Fehlbehandlung. Ich führe dies aus, um zu erläutern, wie schwierig der Umgang mit ME/CFS Patienten ist, wenn man keine Erfahrung mit dem Krankheitsbild hat.
Aufgrund immer weiter zunehmender Allergien (dies ist bei dem Krankheitsbild jedoch auch sehr häufig) wurde seitens der behandelnden HNO‐Fachärztin eine Hyposensibilisierung durchgeführt. Die Ärztin wurde von mir vorab in Kenntnis gesetzt, dass ich akut unter CFS leide. Dies wurde zur Kenntnis genommen und das Medikament wurde trotzdem verabreicht. Quasi am gleichen Tag wurde meine Erschöpfung massivst verschlechtert. Nach Rücksprache mit meinem Arzt teilt mir dieser mit, dass dies ein sehr großer Fehler war, der mich in meiner Genesung evtl. um Monate zurück wirft. Das sehr teure Medikament wurde von der Versicherung aufgrund der vermeintlichen medizinischen Notwendigkeit ohne Beanstandungen erstattet, nun ist es wertlos bzw. hat auch noch einen großen Schaden verursacht. Das kann bei dieser Erkrankung auch bei jedem anderen, zugelassenen Medikament passieren! Was ich mit diesem Beispiel verdeutlichen möchte: Diese Krankheit kann nur von ausgewiesenen CFS‐ Fachärzten beurteilt und therapiert werden.

Nichtsdestotrotz wurde ich von der Versicherung erneut zu einem ihrer Gutachter geschickt, der dann im Februar 2018 eine vermeintliche Berufsunfähigkeit feststellte, obwohl er nach eigener Aussage über keinerlei Erfahrung mit dem Krankheitsbild verfügt. Meiner Rechtsanwältin wurde die Qualifikation diesbezüglich im Vorfeld aber explizit garantiert. Mal wieder eine weitere Lüge der Mitarbeiter. Das Resultat ist die Beendigung der Kranktagegeldversicherung seitens der Versicherung im Mai 2018. Die einzig und allein durch ärztliche Fehlbehandlung verursachte Verschlechterung des Gesundheitszustandes zum Zeitpunkt der Begutachtung wurde trotz mehrfachen Hinweises gänzlich ignoriert.

 

In der Konsequenz zahle ich monatlich rund 500,‐ EUR an die Versicherung für meine Krankenversicherung, damit die Mitarbeiter bequem vom Bürostuhl aus

- sich unangemessen und ohne jegliche Qualifikation in fachärztliche Behandlung einmischen
- jegliche Therapie verweigern
- unangemessen mit dem Leiden der Kunden umgehen

und im Gegenzug für meine Vertragserfüllung:

- werden Ärztliche Behandlungskosten teilweise nicht erstattet
- Werden Therapien nicht erstattet
- wird kein Krankentagegeld gezahlt.

 

Noch einmal zur Erinnerung: Seit zwei Jahren billigt die Versicherung mir keinerlei Therapie. Obwohl diese von mehreren behandelnden Ärzten oder auch von Kliniken als Therapie der Wahl angesehen wird, da es derzeit noch kein anerkanntes Medikament zur Behandlung von ME/CFS gibt. Man vertritt also die Ansicht, eine schwere Erkrankung wie ME/CFS, MS, Krebs oder Aids heilt sich von alleine. Geschieht dies nicht, erklärt man Berufsunfähigkeit. Das muss man sich wirklich einmal einen Moment verinnerlichen!

 

In den o.a. Versprechungen hält die Versicherung es bewusst einfach. Ich bin kein Jurist, ich bin Kunde. Ich bin erkrankt und ich erwarte zu Recht, dass ich bei meiner Erkrankung Unterstützung erfahre. Ganz einfach. Leider ist dies nicht der Fall. Das ist die einzige Frage, die hier gestellt werden muss: Möchte die Versicherung meine Genesung oder möchte sie mich weiter krank halten und/oder zusätzlich weiter krank machen? Diese Frage kann aus hiesiger Sicht einfach beantwortet werden: Die Versicherung möchte mir keinerlei Unterstützung bei der Genesung dieser Erkrankung zukommen lassen. Punkt. Dies ist mehrfach unter Beweis gestellt worden. Es gibt zahlreiche Rechtsprechungen, die gerade bei seltenen Krankheiten dem Versicherten Recht gaben, dass zumindest jedweder Versuch unternommen werden muss, um dem Versicherten die Möglichkeit zu geben zu gesunden. Warum muss ich dieses Recht ‐ welches die Versicherung auch verspricht ‐ denn nun unbedingt erneut juristisch einfordern? Worauf gründet dieses menschenverachtende Verhalten?

 

Ich möchte betonen, dass die hier aufgeführten Vorwürfe vollkommen der ‐ traurigen ‐ Wahrheit entsprechen. Alle Behauptungen meinerseits können belegt werden.

 

Aktuelle konnte ich durch eigens imitierte und privat finanzierte Therapiemaßnahmen (vorwiegend cranio-sakrale Therapie und 2-wöchige Infusionen mit hochdosierten Vitaminen) einen Zustand von seltenen Schmerzattacken erreichen und halten. An der Erschöpfung ändert sich jedoch nichts. Es gibt einige Tage, an welchen ich für einige Zeit etwas leisten kann und auch – leider häufiger – Tage an denen „gar nichts“ geht.

Was mich persönlich aufreibt, ist dass man sehr gut akzeptieren kann, an einer schweren Krankheit zu leiden. Dies geht vielen Menschen so. Was aber absolut nicht tragbar ist, ist die fehlende Unterstützung bzw. sogar Verleumdung des Gesundheitszustands durch Ärzte, Versicherungen, Gutachter und andere Institutionen. Hier muss sich für die Betroffenen viel schneller etwas ändern als an der Forschung für Therapien, die nach meiner Einschätzung noch lange brauchen werden. So lange darf man Erkrankte nicht diskriminieren und am Rand der Gesellschaft liegen lassen! Zuerst wird man durch die Krankheit seines früheren Lebens beraubt und schließlich seiner Existenz.“

Gelesen 2110 mal Letzte Änderung am Sonntag, 14 Februar 2021 10:14
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