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Mittwoch, 10 März 2021 11:24

ME/CFS und Elternrolle - Über die Zerreißprobe zwischen Verantwortung für die Kinder und chronischer Erkrankung

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Wie in jedem Aspekt eines Lebens mit ME/CFS kommt es auch im Bereich Schwangerschaft und Elternschaft als Betroffene/r zu erheblichen Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Ihr habt zahlreich an unseren Umfragen diesbezüglich teilgenommen und dafür erst einmal ein herzliches Danke für Euer Vertrauen.

Kein Lebensbereich ist leicht mit dieser Erkrankung und so ist es auch hier. Zusätzlich stellen sich hier tägliche, oft quälende weitere Fragen und es gilt einigermaßen kreativ und konstruktiv mit den gegebenen Tatsachen umzugehen, um das Beste für sich und in diesem Falle auch für das Kind / die Kinder zu entscheiden. Dieses Thema geht wohl besonders an Herz, weil es unser Innerstes berührt und wir hier nicht nur für uns selbst verantwortlich denken und handeln möchten, sondern auch noch in der Fürsorge für einen anderen, geliebten Menschen stehen. So viele Träume stehen hier auf dem Prüfstand und so viele Ängste kommen oft für lange Zeit und leider immer wieder zu Besuch. Es gilt mit bitterer Desillusionierung, Verzicht und oft schwierigen Gefühlen und Situationen zurecht zu kommen.

Sei es in der Frage, ob eine Schwanger – und Elternschaft mit dieser Erkrankung überhaupt möglich ist oder im oft sehr schwierigen Alltag als betroffene Mutter oder als betroffener Vater. Die permanente Unsicherheit, die diese Erkrankung ohnehin durch ihre Dynamik mit sich bringt, mitsamt der Desinformation und fehlenden Anerkennung in der Öffentlichkeit, lässt einen regelrechten zusätzlichen Drahtseilakt in der Elternschaft vermuten und verlangt ein hohes Maß an Selbstrefklektion und Reife des betroffenen Elternteils im täglichen Umgang. Mit vielem steht man auch hier alleine da. Emotional und sozial. Die Angst um das Kind, der Wunsch nach Verständnis, Respekt und Unterstützung, durch das Umfeld, der Umgang mit Angst, Trauer, Selbstzweifel und Schmerz, das sich konfrontiert sehen mit den nackten Tatsachen und die tiefe Dankbarkeit für jegliche Hilfe; all das ist hier so nach - vollziehbar. Doch wirklich zur Ruhe kommt man auch dann nicht wirklich, auch wenn man in irgendeiner Form Unterstützung hat, da die gesundheitliche und die gesamte Situation mit dieser Erkrankung zu speziell ist.

Dazu kommt manchmal auch die Sorge, dass das Kind ebenso von ME/ CFS betroffen sein könnte. Eine schreckliche Vorstellung, die man wohl am besten nachvollziehen kann, wenn man ME kennt. Der größte Wunsch eines jeden Vaters und einer jeden Mutter ist es wohl, dass es dem Kind gut geht und es eine gute Entwicklung nehmen kann. So ist es immer wieder ein Balanceakt, ein jonglieren mit den gegebenen Möglichkeiten, um dem allem einigermaßen gerecht zu werden und verletzende Reaktionen und Erfahrungen halbwegs zu verkraften und zu verarbeiten. Denn man will und muss ja für sich selbst und das Kind stark bleiben. Doch auch wenn es ausreichend Unterstützung gibt und das Kind seine gute Entwicklung nehmen kann und versorgt ist, bleibt wohl immer auch ein Rest Wehmut im Herzen. Denn man kann als Mama oder Papa nun mal nicht so präsent und da sein, wie man sich das von Herzen wünschen würde.

Und auch, wenn das Thema Eltern sein und Kinder auch als Gesunde / r nie ein leichtes ist, so ist es mit einer anerkannten Erkrankung noch einmal um Lichtjahre anders. So wird durch die Tatsache, dass ME/CFS in der Öffentlichkeit noch keine oder kaum Anerkennung und somit kaum Verständnis hat, der Umgang damit und erforderliche Schritte zusätzlich sehr erschwert. Und genau hier, im Bereich Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit werden wir weiter ansetzen, weil wir hier neben Forschung und Fortbildung von Ärzten und medizinischem Personal mit den größten Handlungsbedarf sehen. Dem Thema „Kinder und Jugendliche mit ME/CFS“ werden wir uns gesondert widmen.

Bild: Andrea (Instagram: enze_und_ich)

Gelesen 2104 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 10 März 2021 11:30
Carmen Katharina Stern

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